Historie
Jubiläum
250 Jahre Friedrich-Apotheke
Seit dem 10. Dezember 2013 besteht unsere Apotheke 250 Jahre!
„… wann zu Distorff eine Apothecke angerichtet würde …“
TILO SCHARF
Klösterlicher Ursprung
Frühe Hinweise auf eine Armen- und Krankenpflege in Diesdorf führen uns direkt in das mittelalterliche Stift bzw. Kloster Diesdorf. Die Konventualinnen fühlten sich neben ihren vielen christlichen Pflichten auch hierzu berufen. Schon 1388 ist bekannt, dass im Kloster Diesdorf Arme versorgt wurden. Aus dem Jahre 1438 ist die Errichtung eines Badehauses und für 1467 der Bau eines Krankenhauses überliefert. Zum Krankenhausbau hatten die Priorin und einige andere Klosterdamen das notwendige Geld gespendet. (1) Aus Spenden wurden auch die Armen versorgt. Jährlich am Gründonnerstag erhielt die Priorin diese Mittel vom Klosterpropst. (2) Mehrere weiträumige Klostergärten (3) innerhalb der Klostermauern umgaben die Häuser der Konventualinnen. Mit Sicherheit wurden auch hier die Heil- und Küchenkräuter angebaut, die schon seit Jahrhunderten zum Anbau in den Klöstern angeordnet worden waren. (4) Hierzu gehörten u.a. Salbei, Kümmel, Rosmarin, Anis, Kresse, Pfefferminze, Petersilie, Sellerie, Dill, Fenchel, Senfkraut, Pfefferkraut, Mohn, Zwiebel, Schnittlauch und Rettiche. Diese Küchenkräuter besitzen vielfach gleichzeitig heilende Wirkung. Da der Salbeistrauch direkt mit dem Wort Salve = Heilen in Zusammenhang gebracht wird, erzählte man sich gern, dass die große Heilkraft der Salbeiblätter im Mai – wenn der Strauch frisch ausgetrieben hat – viele Lebenskräfte aktivieren kann. So waren die kultivierten Kräutergärten der Klöster eine wichtige Vorstufe zur Entwicklung der ersten Apotheken.
Apotecarius-cellerarius
Das Wort Apotheke ist kirchlichen Ursprungs und unterlag im mittelalterlichen Sprachgebrauch einem langen Bedeutungswandel. Unter einem Apotecarius-cellerarius verstand man einen Kanoniker für weltliche Angelegenheiten im Kloster. Im Kloster Diesdorf ist ein cellerarius nachweisbar.(5) Er kontrollierte Keller, Lager und Küche. Als „apoteca“ bezeichnete man im Mittelalter Vorratsräume oder Lagerräume speziell für das Allzweckmittel Wein. Selbst Gewölbe und Niederlagen, die nichts mit dem Arzneimittelhandel zu tun hatten, ja auch Räume, in denen Handschriften, Bücher und Reliquien aufbewahrt wurden, nannte man „apoteca“. Ende des 13. Jahrhunderts setzten sich dann allmählich die Worte „apothecarius“ für Apotheker und „apotheca“ für dessen Verkaufsraum, die Offizin, durch. Wichtig erscheint es mir, darauf hinzuweisen, dass es die Apotheke nicht plötzlich gab. Kleinproduzenten, die als Warenhändler in Erscheinung traten, wie Mixturenverkäufer, Materialisten, Salbenmacher, Wasserbrenner, Spezereihändler, Krämer,Kräutersammler und auch Wurzelgräber, gehörten zum langen Prozess der Herausbildung der Apotheken. Entscheidend waren aber die höheren Anforderungen, der gestiegene Arbeitsaufwand und die speziellen Kenntnisse in der Kunst des Sammelns, der Auf- und Zubereitung, Destillation und Lagerung der vielen neuen Arzneien und dies besonders aus der arabischen Welt. Hierbei kristallisierte sich das Berufsbild, und es gingen daraus die ersten, bald auch urkundlich erwähnten Apotheker zuerst in den größeren Städten des Reiches im 13./14. Jahrhundert hervor. Auf dem Lande behandelte die Bevölkerung auch in den folgenden Jahrhunderten ihre Leiden mit alt überlieferten Hausmitteln und erwarben in Ermangelung von Apotheken ihre Mixturen und Salben von durchziehenden Quacksalbern.
„Dass die Wohlfahrt unserer Unterthanen auf dem platten Lande …“
„Wir Friederich König in Preußen, Bekennen hiermit für uns, unsere Erben, und Nachkommen, Marggraffen und Churfürsten zu Brandenburg. Nachdem uns unser Beamter Buchholtz zu Distorff allthagst vorgetragen, daß da in dasiger Gegend auf 3 bis 4 Meilen in unserm landen außer in der Stadt Saltzwedell keine Apothecke vorhanden, und die dortigen Landeseinwohner deshalb genötiget wären, aus denen näher belegenen Lüneburgischen Flecken Bergen, Wittingen, Brohme und Fahrenhorst, wo kleine Apothecken befindlich, sich erfordernden falß mit Medicamenten zu versehen. Unsern an der Lüneburgischen Grentze wohnenden Unterthanen aber, besonders bey häuffig grassirenden Kranckheiten sehr heilsam und bequem sein würde, wann zu Distorff eine Apothecke angerichtet würde, um in Nothfall, die allerunentbehrlichste Medicin in der Nähe erhalten zu können, und daher allthagst gebethen, zu Errichtung dergleichen … auch in Erwegung, daß die Wohlfahrt unserer Unterthanen auf dem platten Lande darunter mit versiret, und das Geld so bishero vor Medicamenta außerlandes gegangen solchergestalt im Lande bleiben könne … Urkundlich haben wir dieses Privilegium höchsteigenhändig unterschrieben und mit Unsern Königlichen Insiegel bedrucken laßen. So geschehen und gegeben zu Berlin, den 10. Dezember 1763. Friederich Privilegium für den Apothecker Friedrich Wiesel aus Lauenburg zur Anlegung einer Apothecke zu Distorff in der Altemarck“(7)
Die „Fridericus-Apotheke“
Somit war die königlich privilegierte Fridericus-Apotheke begründet und konnte eröffnet werden. Nur wenige Jahre, bis 1766, hatte der Apotheker Wiesel seine Apotheke in Diesdorf führen können. Streitigkeiten und Missverständnisse mit den örtlichen Gewerbetreibenden und dem Amtmann Buchholtz hatten diese Zeit bestimmt. Zur vorgesehenen Kürzung seiner Konzession kam es nicht mehr, denn schon vorher hatte er sein Anwesen an den Salzwedeler Apotheker Regemann(8) verkauft. Mehr als 30 Jahre hat Apotheker Regemann das Haus geführt. Erst im Jahre 1798 erfahren wir von einem neuen Besitzer, dem Apotheker Tenner. Die Visitation (Besichtigung) der Tennerschen Apotheke war erfolgt, und es wurde berichtet, dass der Salzwedeler Arzt, Stadtphysikus Doktor Busch, diese Visitation vorgenommen hatte. Stattliche 23 Reichstaler hatte diese Besichtigung gekostet, die 1802(9) abgerechnet wurde. Die stolze Gebührenhöhe entsprach einer größeren Visitation, und es wird angenommen, dass es sich um eine Übernahme handelte. Es vergingen viele Jahre. Apotheker Tenners Frau überlebte ihn und bot die Apotheke Ende 1824 zum Kauf an. Neuer Eigentümer wurde daraufhin Apotheker Fieth 1825. In seine Wirkungszeit fällt eine Meldung des Kreisphysicus Dr. Hasenkopf an den Königlichen Landrat von der Schulenburg nach Salzwedel vom 30. Dezember 1835. Sie enthält eine Aufstellung der im Landkreis vorhandenen Apotheken. Neben Diesdorf und den beiden noch älteren Apotheken in Salzwedel war im Jahre 1770 noch eine Vierte in Calbe an der Milde hinzugekommen.(10) Vom Apotheker C. Fieth datiert einer der letzten Briefe an den Landrat in Salzwedel wegen Gebührenfragen vom 7. August 1843.(11) Nach ihm wirkten zum Wohle ihrer Patienten und Kunden in der Fridericus-Apotheke Diesdorf in der Reihenfolge die Apotheker Warsow, Harb, Ernst und Christians. In die Dienstzeit der beiden letztgenannten Apotheker fällt eine interessante Statistik zur Verteilung der Apotheken in Preußen, insbesondere im Regierungsbezirk Magdeburg. So ist zu ersehen, dass es hier 1890 86 Apotheken gab. Eine Apotheke hatte 12 456 Einwohner zu versorgen. Fünf Jahre später, 1895, gab es bereits 100 Apotheken. Nun war eine Apotheke für 11 233 Einwohner zuständig.(12) Genau zu dieser Zeit ließ sich der Arzt Dr. Georg Schulze im Ort nieder und eröffnete noch 1895 seine Landarztpraxis. Hier wirkte er fast 60 Jahre lang segensvoll für die Region und trug wesentlich dazu bei, die gesundheitliche Situation der Bevölkerung zu verbessern. Apotheker Christians war im März 1909 noch tätig. Er wird in einer Schließzeiten-Genehmigung vom Regierungspräsidenten genannt.(13) Noch im gleichen Jahr übernahm Apotheker H. Barnbeck als neuer Eigentümer die Apotheke, die er bis zu seinem Tode 1932 führte. Er ließ das Haus 1925 aufstocken, dessen Erscheinungsbild sich bis zum heutigen Tage unverändert erhalten hat. Apotheker H. Berger folgte als Verwalter und gestaltete die Innenräume der Apotheke neu. Aus seiner Wirkungszeit findet sich vom August 1933 u.a. eine erteilte Genehmigung zur Schließung an Feiertagen, verbunden mit einer Auflage, trotzdem bei dringenden Notfällen erreichbar zu sein!(14)
Umbenennung in Walter Niemann-Apotheke
Im Jahre 1940 ging die Apotheke an Robert Barnbeck über, der ihr den neuen Namen Walter-Niemann-Apotheke gab. Dies geschah zu Ehren des Klavierkomponisten Walter Niemann, der der Familie Barnbeck sehr nahe stand. Dabei wurde bewusst die Verbindung zwischen Pharmazie und Musik herausgestellt, die sich in der Pflege einer beständigen, weithin bekannten Hausmusik zeigte und sich im Apothekenfirmenzeichen mit Mörser und Violinschlüssel widerspiegelte. 1979 wurde die Apotheke verstaatlicht und dem Versorgungszentrum für Pharmazie und Medizintechnik Salzwedel, dem späteren Pharmazeutischen Zentrum, angeschlossen. Die staatliche Leitung bekam Pharmazieingenieurin A. Schulz übertragen. Dann kam das Jahr 1989 und die politischen Ereignisse führten zu einem gravierenden Wandel in kürzester Zeit ... Vor dem Ende der DDR 1990 gingen alle staatlichen Betriebe, so auch das Pharmazeutische Zentrum Salzwedel mit seinen Apotheken und Abteilungen, in der Treuhandgesellschaft auf. Zuletzt verwaltete Pharmazieingenieurin H. Giese die Apotheke von Mai bis September 1991.
Rückbenennung in „Friedrich-Apotheke“
Nach längeren Verhandlungen kaufte der Verfasser vollständig die Walter-Niemann-Apotheke von der Treuhand, Außenstelle Magdeburg, ab. Er privatisierte sie zum 1. Oktober 1991 wieder und gab ihr ihren alten Bezug zum Privileggeber mit dem Namen „Friedrich-Apotheke“ zurück.
Apotheken und Versorgung
In den ersten beiden Jahren waren umfangreiche Umbauten und Änderungen der Innenräume auch auf Grund der nun geltenden Bundesapothekenbetriebsordnung notwendig. Später ergab sich kurzfristig die Möglichkeit, ein eigenes und vor allem zweckmäßigeres, modernes Objekt zu erwerben. So konnte die Friedrich-Apotheke Diesdorf bereits am 11. Juni 1996 in zeitgemäße Räumlichkeiten für ihre Kunden und Patienten ganz in der Nähe des bisherigen Standortes verlegt werden. Im Januar 2002 bekam Diesdorf tatsächlich noch eine zweite Apotheke. Die unverändert geltende Niederlassungsfreiheit nach deutschem Recht erlaubte Apothekerin J. Sültmann-Peitz die Neugründung einer neuen Apotheke mit dem Namen Alte Apotheke am vormaligen Standort. Einige Jahre später gab es sogar eine reguläre dritte örtliche Einrichtung, um zum Beispiel sein Rezept einzulösen. Die Schlecker-Drogeriefiliale besaß eine gesetzlich noch erlaubte sogenannte Pick-Up Stelle und kooperierte mit einer Versand-Apotheke. Dieses Thema hat sich aber von selbst erledigt, da sich der Kettendrogist Ende 2011 aus Diesdorf zurückzog. Ein leider weiterhin brisantes Thema ist der Arzneimittelversand über das Internet, ganz abgesehen von den mitunter dubiosen Bezugsquellen, von den zunehmenden Fälschungen und bitterernsten Zwischenfällen ganz zu schweigen … Eine Apotheke vor Ort fühlt sich immer verantwortlich für die gesundheitliche Beratung, Betreuung und Versorgung für die Menschen in ihrer Umgebung. Dieser Auftrag ist bereits in unserem Privileg verankert und bestimmt auch heute noch unverändert unsere tägliche Handlungsmaxime. Wir freuen uns, dass wir zum 300. Geburtstag des großen Königs mit diesem Beitrag an diese Aufgaben erinnern konnten. Am Ende meiner Ausführungen angelangt, möchte ich darauf hinweisen, dass mit ihnen kein Anspruch auf Vollständigkeit erreicht wurde, was auch nicht beabsichtigt war, ich es aber für sinnvoll erachtet habe, zum besseren Verständnis der Diesdorfer Apotheken-Geschichte, sie im Kontext zur allgemeinen Entwicklung der Apotheken zu sehen.
Zum Schluss noch ein kleiner Dreizeiler von mir vom 24. Januar 2012, denn es war der 300. Geburtstag von Friedrich II., dem wir diese Geschichte verdanken …
Großer König!
Um wieviel ärmer wäre die Geschicht, hättest Du nicht erblickt das Weltenlicht …
Da nun, guter, alter Fritz, du heute 300 geworden bist, möchten Dank wir dir sagen, dass es sich alles hat so zugetragen, auch für dein Privileg, dass Du uns gabst, damals, im ersten Friedensjahr … nun werden es auch bald zweihundertfünfzig Jahr! Du warst erster Diener in Deinem Staat, hast nicht nur gefordert, sondern selbst Tugenden gehabt, hast sie vorgelebt und zur Maxime gemacht, auch und gerade heute würden sie manch „Großem“ gereichen als Maß!
Bildnachweis
Friedrich II., Zeichnung um 1770, privat.
Approbation, LHASA, MD, Da 16, XXVIII n Nr. 64, Bl. 34 Rückseite.
Privileg, LHASA, MD, Da 16, XXVIII n Nr. 64, Bl. 41–42.
Zahlungsanweisung, BLHA, Rep. 2 D. 8047, Bl. 10.
Anmerkungen
1 Wentz 1922, S. 9.
2 Wentz 1922, S. 26.
3 Bock/Hofmüller/Scholz 2011, Zur Lokalisierung der Gärten: Karte im Einbanddeckel vorn.
4 „Capitulare Caroli Magni de villis“, Karl der Große befahl im Jahre 812 den Anbau von
Heil- und Gewürzkräutern. Vgl. Linde 1972, S. 12.
5 Wentz 1922, S. 11.
6 LHASA, MD, Da 16, XXVIII n Nr. 64, Bl. 34ff.
7 LHASA, MD, Da 16, XXVIII n Nr. 64, Bl. 41–42.
8 LHASA, MD, Da 16, XXVIII n Nr. 64, Bl. 44.
9 BLHA, Rep. 2 D. 8047, Bl. 10.
10 LHASA, MD, C 30 Salzwedel A, Nr. 1015, Bl. 27.
11 LHASA, MD, C 30 Salzwedel A, Nr. 1015, Bl. 52.
12 LHASA, MD, C 30 Salzwedel A, Nr. 1015, Bl. 184.
13 LHASA, MD, C 30 Salzwedel A, Nr. 1015, Bl. 196.
14 LHASA, MD, C 30 Salzwedel A, Nr. 1015, Bl. 214.